von T. Austin-Sparks
(Richter 4+5)
Es ist ein weiter Weg von Josua zu den Richtern, und es existiert ein schrecklicher Verfall seit jenen Tagen des Triumphs und der Eroberung, genau wie es am Ende der apostolischen Ära der Fall war. Das Buch der Richter ist vielleicht das tragischste Buch in der Bibel...
Das dies eine Zeit des geistlichen Niederganges war, dafür braucht es keine Argumente. Dass der hauptsächliche Grund für diesen Niedergang die Abwesenheit von Autorität war, wird ganz klar viermal erwähnt. Es ist so, als würde der Erzähler alle Probleme auf diese Abwesenheit einer autoritativen Leiterschaft zurückführen.
Aber da scheint mehr vorzuliegen als das bloße Erwähnen einer Tatsache. Die Andeutung oder das, was eigentlich gesagt werden sollte, ist dies, dass es um mehr ging als um die bloße Abwesenheit einer Leiterschaft; es ging um eine Veranlagung. Wenn es heißt: «Jeder tat, was in seinen Augen Recht war», scheint dies zu bedeuten, dass ihre Veranlagung derart war, dass sie es so haben wollten. Sie liebten die Einschränkungen der Autorität nicht. Sie hatten das Gefühl, Leiterschaft bringe Eingrenzung mit sich; so erklärten sie ihr eigenes Urteil zur letzgültigen Autorität. So, wie sie es sahen, war es richtig - «recht in seinen Augen». Tatsache war, dass die Unabhängigkeit Amok lief.
Möglicherweise hatte der Verlust echten geistlichen Wesens und die Inthronisierung des natürlichen Sinnes– wie es gewöhnlich der Fall ist – zu der Unfähigkeit geführt, den Unterschied zwischen geistlicher und gesalbter Leiterschaft auf der einen Seite, und einer Autokratie auf der andern Seite zu sehen. Die Unlust für, und die Ressentments gegen alles, was autokratisch ist oder die Natur einer Diktatur zeigt, lässt die Leute Gesetz und Autorität über den Haufen werfen und aufs äußerste zurückweisen, so dass sie sich eigene Gesetze machen. Die ungeistlichen Korinther unterstellten der Autorität, von der Paulus sagte, sie sei ihm von Christus übertragen worden, diese «autokratische» Interpretation. Wer seine Briefe an diese Gemeinde liest, kann sehen, wie er sich auf diese Autorität berief und sie anwandte, aber ebenso kann man sehen, dass sie zur Rettung als Gemeinde absolut notwendig war. Aber sich handelte es sich da nicht um eine autokratische Vorherrschaft (des Apostels).
Es ist nur der Mangel an geistlichem Unterscheidungsvermögen den «Dingen, die sich unterscheiden», gegenüber – obwohl sie sich sehr ähneln mögen, worüber Paulus den Korinthern vieles zu sagen hatte – der die Dinge durcheinander bringt und zum Verlust der Werte dessen führt, was Gott geschenkt hat. Auf der einen Seite war es für Israel ein Desaster und bedeutete vierhundert Jahre des Durcheinanders, der Schwäche und der Kraftlosigkeit. Auf der andern Seite gab es Rettungen und Zeiten der Verbesserung, weil der Herr Führer erweckte.
Wenn wir nun zu Deborah kommen, dann haben wir vor uns eine bedeutende und eindrückliche Sache. Zunächst ist da Deborah selbst, und dann sind da noch jene, auf die sie sich bezieht, wenn sie sagt: «Weil Führer führten» (Richter 5,2). Deborah liegt wie ein Schatten über der ganzen Geschichte; darum muss sie als das gesehen werden, was sie ist: Als Frau in einer solchen Position muss sie eine souveräne Aktivität von Seiten Gottes repräsentieren. Die Bibel ist sich darüber völlig im Klaren – was die normale Ordnung Gottes angeht – dass Frauen nicht über Männer gesetzt werden sollen. Normalerweise käme es einer Unordnung gleich, wenn dies der Fall wäre... In Gottes ursprünglicher Ordnung wurde dem Mann die Position der Autorität anvertraut. Doch hier, im Falle von Deborah, haben wir eine Frau, die durch göttliche Zustimmung und Billigung diesen Platz einnimmt...
Deborah, zwar eine echte Person, ist – im Grunde – der Geist oder das Prinzip der Leiterschaft. Dies wird dadurch dokumentiert, dass sie eine Prophetin genannt wird. Welches ist das überragende Kennzeichen des prophetischen Dienstes? Es ist Inspiration. So sehen wir im Falle von Deborah, dass ihre Leiterschaft darin bestand, dass sie die Fähigkeit besaß, andere zu inspirieren. Sowohl Barak und die Leiter, die die Leitung übernahmen, vollführten ihre Leiterschaft aufgrund der Inspiration, die sie durch Deborah empfangen hatten. Leiterschaft ist eine Frage der Inspiration.
Es ist eine Begabung. Nicht alle, die diese Position einnehmen, können sie erfüllen. Es ist eine qualvolle Sache, jemanden in dieser Position zu beobachten, der weder Inspiration noch eine Salbung dafür besitzt. Dies ist der Grund, weshalb es so falsch und gefährlich ist, wenn jemand entweder sich diese Stellung anmaßt, oder durch Wahl oder menschliche Beeinflussung in sie hineingedrängt wird.
Möchten doch unsere gläubigen Frauen sehen, dass ihre Funktion nicht darin besteht, zu herrschen und zu regieren, sondern zu inspirieren. Deborah sagte zu Barak: «Hat nicht der Herr geboten...». Sie kannte den Herrn, und aus dieser Kenntnis heraus war sie der Geist der Inspiration.
Es ist nichts Geringes, den Vorsatz Gottes zu sehen und Menschen zur Leiterschaft in ihm zu inspirieren. Dies kann, wie im Falle von Deborah, geschehen, ohne dass man sich persönlich an die Front des Kampfes begibt.
Unsere Lektion in Bezug auf Deborah ist daher dies, dass Leiterschaft – ob offiziell, im Amt eines Leiters oder auch nicht – im Wesentlichen eine Sache der Gabe und Fähigkeit der Inspiration ist: Ein ansteckender Einfluss, eine ausstrahlende geistliche Energie, und ein tatkräftiges Beispiel.
Wie oft wird Leiterschaft als etwas Offizielles betrachtet. Der Leiter benötigt einen Titel, ein Amt, eine Anstellung. Deborah lehrt uns jedoch, dass Leiterschaft die Ausbreitung des mütterlichen Geistes ist, um das ganze Volk Gottes zu umfassen. «Bis ich, Deborah, aufstand ... eine Mutter in Israel» (Richter 5,7). Nicht «bis ein Leiter, eine Prophetin, ein göttlich erwähltes Werkzeug aufstand», sondern «eine Mutter». Ihr war offensichtlich eine Herzensbetroffenheit eigen, eine gemüthafte Sorge für das Volk Gottes.
Wir haben schon früher auf die Revolte gegen Paulus’ geistliche Autorität Bezug genommen, doch seine Antwort darauf war Liebe, selbst die einer «stillenden Mutter» (1. Thess. 2,7.11). Und jede scheinbare Strenge bzw. Härte wurde aus seiner tiefen väterlichen oder – geistlich gesehen – mütterlichen Sorge für sie geboren.
Dieses Element muss in jeder Art Leiterschaft vorhanden sein; das Element eines eifersüchtigen Sehnens nach den geistlichen Interessen derer, die es betrifft. «Ich stand auf als Mutter», sagte Deborah. Der Ansporn ihrer inspirierenden Leiterschaft war die müttlicherliche Passion für eine geistliche Familie.
Hinter all dem, was bei den Propheten Israels vordergründig anders aussehen und tönen mag, lässt sich stets dieser Seufzer und eine Herzensbeziehung zu einer starrköpfigen Familie entdecken, die sich in Schwierigkeiten befindet gerade wegen ihrer Starrköpfigkeit.
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