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Leiterschaft

von T. Austin-Sparks

Kapitel 2 - Moses

Was wir über die Souveränität Gottes gesagt haben, ist im Falle von Moses unzweideutig. Von seiner Geburt und seiner Bewahrung bei der Geburt an durch seine ganze Geschichte hindurch ist die Beweislage dafür, dass er ein «auserwähltes Gefäß» war, klar. Er befand sich dort, wo er war, weil Gott es so fügte. Selbst als er – wohl aus reiner Sympathie – versuchte, sich die Rolle eines Befreiers anzumaßen, ging die Sache negativ aus, weil sie eben aufs äußerste von Gott sein musste.

Die Langmut von Moses ist etwas, das in der Schrift ausdrücklich vermerkt wird, doch war diese Langmut – wie dies auch bei der unsrigen der Fall sein wird - sehr stark von seiner späteren Erkenntnis getragen wurde, dass er sich eben dort befand, wo er war, weil Gott es so gefügt hatte; es war nicht seine eigene Wahl. Wie wichtig ist es doch, dass Christen – und ganz besonders christliche Leiter – sich in einer Position befinden, wo sie mit Nachdruck sagen können, sie wüssten, wie recht Christus hatte, als Er sagte: «Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt». Diese Grundlage einer «Tat Gottes» ist die einzige, die das ungeheure Gewicht der Verantwortung und der Anforderung stützt, welche eine Leiterschaft in der praktischen Erfahrung zu tragen hat.

Das zweite, das so deutlich hervortritt, wenn es darum geht, Leitungsverantwortung zu übernehmen, ist die Erkenntnis und Erfahrung aus erster Hand von all dem, zu welchem wir andere führen sollen.

Moses hatte vierzig jener Jahre in Ägypten, in denen der Pharao-Komplex aus Josephs Zeit sich so sehr von der Gunst hin zur Feindschaft veränderte. Er wurde in diese Feindschaft und in diesen Hass hinein geboren hatte wahrscheinlich von seiner Mutter und seiner Schwester von Gottes vorsorglicher Errettung erfahren. Er kannte den Palast und seine Spannungen. Er lebte in einer Atmosphäre des Gemischs von Furcht und Feindschaft. Täglich sag er den Zustand seines eigenen Volkes. Wie bei Joseph «drang das Eisen in seine Seele». Ohne Zweifel war dieser Hintergrund sehr stark der Grund für seine Unlust, zurückzukehren, und für seine Anstrengungen, einen Weg zu finden, der ihn davor bewahrte.

Es ist nicht Gottes Weg, unerfahrene Leute in Leitungsverantwortung hinein zu schicken. Solche Leute sind wirklich behindert und befinden sich in einer Position ernsthafter Schwäche. Teil der Schulung von jedem Leiter sollte eine Kenntnis der Welt und ihrer feindlichen Mächte aus erster Hand sein, und ein Leben mit Gott in ihrer Mitte.

Manch ein Diener Gottes war in späteren Jahren tief dankbar, dass er – in der Souveränität und der Vorsehung Gottes – dass er Perioden durchmachen musste, gegen die Gott durch ihn reagieren musste. Dies mag für verschiedene Aspekte und Phasen des Lebens zutreffen. Gott versetzt Seine Knechte in Situationen, die nicht Seinem höchsten Willen für sie entsprechen, und die Zeit wird kommen, da sie gegen das rebellieren, was einmal vollständig oder fast vollständig von Gott gewesen zu sein schien. Es ist merkwürdig, dass es möglich ist, zu einem Zeitpunkt zu glauben, dass eine bestimmte Position völlig von Gott sei, nur um später zu entdecken, dass es bloß der provisorische Wille Gottes war, um uns für etwas ganz anderes zu qualifizieren. Solche Diener Gottes tragen ihr ganzes Leben lang eine sehr reale inwendige Erkenntnis mit sich, die es ihnen möglich macht, zu sagen: «Wir reden von dem, was wir kennen». Wir können schwerlich die Bedeutung und den Wert dieses Faktors in der Leiterschaft überbetonen.

Der dritte Faktor in der Leiterschaft ist eine fundamentale Lektion darüber, dass das Werk Gottes seinem Wesen nach geistlicher Natur ist.

Moses war «in aller Weisheit der Ägypter unterrichtet». Zweifellos hatte er natürliche Gaben. Sicher besaß er auch reichlich erworbene Qualifikationen. Offensichtlich war er auch ein Mann von beträchtlicher physischer Stärke. Seine natürliche Disposition war es, bei allem, was er unternahm, aufs Ganze zu gehen, wie man dies beim Erschlagen des Ägypters und der Trennung der streitenden Hebräer sehen kann. Es fehlte ihm nicht an Eifer, noch war er schwach im Ergreifen von Initiativen. Doch bei alle dem griff Gott nicht nach ihm wegen dieser natürlichen Voraussetzungen. «Nicht durch Heer und nicht durch Kraft» sind Worte, die sehr genau auf Moses und den Zeitraum jener vierzig Jahre zutreffen.

«Die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich». Der wahre und ewige Aspekt des Werkes Gottes ist geistlicher Natur; darum können nur geistliche Menschen mit geistlicher Erfahrung und geistlichen Ressourcen es effektiv tun. Gottes wahre Leiter sind geistliche Menschen und Männer des Geistes.

All unsere natürliche Fähigkeit, unsere Bildung, unsere erworbenen Qualifikationen; unsere Stärke, unser Eifer und alles Gelernte wird sich als wenig nützlich erweisen, wenn wir gegen die höchsten Mächte des Universum anzutreten haben, die geistlicher Natur sind. Moses wusste dies sehr genau, als er konkret sein Lebenswerk antrat.

Leiterschaft wird oft aus der tiefen Disziplin von Versagen und Selbstoffenbarung heraus geboren. Die zweiten vierzig Jahre seines Lebens dienten Mose genau zu diesem Zweck und waren zweifellos tief gefärbt von der Bitterkeit der Selbst-Desillu-sionierung. Er befand sich an einer viel sichereren Stelle, wenn er vor der Verantwortung zurückschreckte, als da er sie selbstsicher in seine eigenen Hände nahm.

Eine weitere Qualifikation für die Leiterschaft, wie wir sie im Falle von Moses beobachten können, ist Treue, Promptheit und Demut in gewöhnlichen und und unspektakulären Dingen.

Weit hinten in der Wüste als ehemaliger Prinz Ägyptens während einer beträchtlichen Zahl von Jahren ein paar Schafe zu hüten könnte ein angemessener Test für die Geduld und die Abwesenheit von Bitterkeit sein. Die Gelegenheit, einigen schutzlosen Frauen dabei zu helfen, ihre Schafe zu tränken, war weder unter seiner Würde noch ein lästiger Unterbruch in seiner Beschäftigung «mit höheren und wichtigeren Angelegenheiten». Er war durch seine Enttäuschungen nicht so gefühllos geworden, als dass er ein schlichtes Stück Arbeit verachtet hätte.

Einbildung ist eine Disqualifizierung hinsichtlich einer Leiterschaft. Der Herr beobachtet das Leben außer Sichtweite und entschließt sich dort, ob wir ihm genehm sind oder nicht. Ein wahrer Leiter ist nicht jemand, dem man geringe Dinge zuerst zeigen und ihn dann darum bitten muss, sondern jemand, der ein Bedürfnis sieht und sofort dafür Hand bietet.

Es ist ganz offensichtlich, dass Gott wusste, wo Moses war, und dass dieser kein hinausgeworfener Knecht war. Moses war in der Schule der Untätigkeit innerlich diszipliniert worden, und das war eine sehr harte Schule für diesen aktiven und energiegeladenen Typ. Diese Selbstentleerung war ein schmerzvoller Prozess, doch sie hat Gottes Absicht in Gang gesetzt und ihn auf jenen wesentlichen Grund für eine geistliche Leiterschaft gebracht, der «kein Vertrauen in das Fleisch» und «alles ist von Gott» heißt.

Doch der unmittelbare Punkt, um den es ging, war der, auf den der Herr während der Zeit des Wartens seine Augen richtete, nämlich ein Geist des Dienens. Es ist so leicht, aktiv und voller Energie zu sein, wenn irgend ein großer, interessanter oder lohnenswerter Job zur Hand ist, besonders wenn er öffentliche Aufmerksamkeit erregt oder mit anderen (z.B. berühmten Leuten) zusammengeht. Der wahre Test jedoch kommt dann, wenn es ganz anders ist und wir auf das Prinzip der harten Tatsachen zurückgestuft werden – das Prinzip der Gewissenhaftigkeit, ohne Einfluss und Bezug auf irgend eine Verantwortung und ohne dass jemand anders uns beaufsichtigt. Dienen ist ein Geist, keine äußere Verpflichtung. Es ist sehr wenig von einem Geist des Dienens übrig geblieben in der Welt von heute, doch bei Gott war dies stets etwas, auf das Er besonderen Wert gelegt hat.

Dies ist Sein Gesetz des Vertrauens und der Anerkennung: «Der, der im Geringsten treu ist».

Wir können über Moses und die göttliche Souveränität in seinem Leben sagen, was wir wollen, doch müssen wir verstehen, dass die göttliche Souveränität das schlichte alltägliche Verhalten, das uns sehr unbedeutend vorkommen mag, nicht übergeht. Die Berufung eines ganzen Lebens mag von einer scheinbar kleinen Sache abhängen. Es ist unser Geist, auf den Gott blickt. Die wenigen Schafe weit hinten in der Wüste, ein paar hilflose Frauen, die sich in Schwierigkeiten befanden, hatten einen Platz in Gottes Einschätzung, die schließlich zu einer großen Erhöhung führte.

Die Episode vom brennenden Busch war die Krisis und der Wendepunkt in Moses Leben. Wir könnten sagen, die vergangenen vierzig Jahre hätten ihre Bedeutung und ihren Zweck, die folgenden vierzig Jahre jedoch ihre Kraft hier gewonnen. Darin liegt eine unvergleichliche Bedeutung, und ihre Zeichenhaftigkeit war immens; denn hier befinden wir uns in der Gegenwart des dreieinigen Gottes verbunden mit einer Operation zur Befreiung eines auserwählten Volkes.

Als Moses viele Jahre später den Segen über die Stämme sprach, sollte der hochgeschätzte Joseph «das Wohlgefallen dessen, der ihm Dornbusch wohnt» erkennen (Deut. 33,16). Moses lernte dieses Wohlgefallen in seiner ganzen erlösenden Liebe kennen. Was für eine Grundlage, und was für einen Hintergrund für eine Leiterschaft!

Moses mochte die ganze neutestamentliche Bedeutung nicht verstanden haben, aber er trat in deren Kraft ein.

Was Moses jedoch verstehen lernen sollte – für seine große Verantwortung – war, dass das menschliche Wesen in sich selbst zerbrechlich, schwach und so verletzlich wie der Busch in der Wüste sein mochte; doch wenn Gott sich mit der Kraft des Heiligen Geistes damit verband, konnte es ertragen und leben und triumphieren, auch wenn es natürlicherweise unterliegen müsste.

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